Buchtipp des Monats
Rezension von Kathrin
23. September 2024
2 Min. Lesezeit

Judenfetisch

von

von Deborah Feldmann, erschienen im August 2023 im Luchterhand Verlag auf 272 Seiten. Erhältlich für 24,00 EUR

ISBN: 978-3-630-87751-8/Anzeige

Im Oktober 2020 habe ich das Buch "Unorthodox" von Deborah Feldmann gelesen, in dem sie über ihren Ausstieg aus einer ultraorthodoxen Gemeinde in New York erzählt. Das Buch hat mich sehr bewegt. Im August 2023 ist nun ihr neues Buch "Judenfetisch" erschienen. Zwei Monate vor den Ereignissen in Israel und im Gaza.

Die Arbeit an diesem Essay begann bereits Jahre zuvor. Auf Reisen nach Israel hat Feldmann begonnen ihre Geschichte und ihre Sicht aufzuschreiben. Sie war auf der Suche nach der jüdischen Gegenwart und ihrer eigenen jüdischen Identität. Es ist ein sehr persönliches Buch geworden, das ihren Blickwinkel darlegt. Mit einer differenzierten Sicht auf Israel und jüdischer Identität, das anecken will und dies auch tut.

Feldmann ist wie gewohnt kritisch, auch in Hinsicht auf ihre eigene Geschichte, ihrem Ausstieg aus der ultraorthodoxen Gemeinde und ihren Erfahrungen in Deutschland. So stehen beide Teile im krassen Gegensatz: In Amerika war ihr ihre jüdische Identität keine Hilfe mehr, sie versucht sie zu verstecken. In Deutschland hingegeben hat sie Juden und Jüdinnen kennengelernt, die sich über ihr Jüdischsein definieren und es in den Vordergrund stellen. Feldmann fühlt sich als Jüdin entsprechend der Bezeichnung. Bezeichnungen, die sie für Juden und Jüdinnen in Europa findet, sollten dennoch dringend hinterfragt werden.

"Ich sehe auch für mich keinen Weg, an eine jüdische Identität anzuknüpfen, die mit meiner sonstigen säkularen, humanistischen, liberalen Einstellung zu vereinbaren wäre. Die Praxis einer Religion steht für mich außer Frage, die Besessenheit mit der Geschichte kommt mir meistens wie eine Verblendung der Gegenwart vor, und der Zionismus erscheint mir als eine Verklärung der Realität. Wahrscheinlich sitze ich deshalb hier heute bei euch, weil es für mich die einzige verträgliche Begegnung mit meiner Identität darstellt: eine Begegnung der Sprache - und der damit einhergehenden Assoziationen."

Feldmann's Essay ist aber nicht nur kritisch gegenüber den Juden und Jüdinnen in Deutschland und Europa. Auch Israel steht sie differenziert gegenüber. Sie spricht über die Geschichte und die Entwicklungen in Israel seit dem Zweiten Weltkrieg. Beleuchtet Israels Rechtspopulismus und unsere westliche Demokratie.

Mit knapp 270 Seiten wirkt das Buch vergleichsweise kurz. Der Essay ist aber sehr informativ, wirft viele Fragen und neue Perspektiven auf und lädt ein sich selbst mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Feldmann schreibt anschaulich und anekdotenhaft und erzählt ihre eigene Biografie weiter. Herausfordernd, unbequem und sehr persönlich.

"Und woran wird man sich erinnern, wenn das Erinnern keinen Zweck mehr erfüllt, weil die Staatsräson sich geändert hat, weil es die Erinnerung gar nicht mehr braucht, weil der Staat etwas anderes hat, was er viel eher bevorzugt?"

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