Henrik Szántó hat für seinen eine ganz besondere Perspektive gewählt: Ein Haus erzählt uns seine Geschichte. Es erinnert sich an all die Menschen, die über Jahrzehnte seine Stufen hinauf- und hinabgegangen sind, und macht damit Geschichte spürbar, ohne belehrend zu wirken. Im Mittelpunkt stehen die Begegnungen zwischen der alten Irma, die zu NS-Zeiten als Kind mit ihren Eltern im ersten Stock lebte, und der Schülerin Nele aus dem vierten Stock. Wenn die beiden im Haus aufeinandertreffen, wird deutlich, wie nah Vergangenheit und Gegenwart beieinanderliegen – manchmal nur wenige Stufen voneinander entfernt.

Die Sprache ist feinfühlig, poetisch und gleichzeitig herausfordernd. Als LeserInnen
wandeln wir durch die Flure dieses Hauses, gehen über den knarrenden Boden, an den Türen vorbei, hinter denen so viele Geschichten liegen, und erleben immer wieder, wie die Vergangenheit und die Gegenwart zusammen finden.

Es ist kein leichtes Buch im Sinne von „schnell weglesen“ – dafür ist die Erzählweise zu verschachtelt, zu sehr auf Erinnerung und Atmosphäre konzentriert. Eindrücke und Erinnerungen prasseln auf uns ein. Aber genau das macht seinen Reiz aus. Trotzdem lässt sich die Geschichte leicht verfolgen und die ein oder andere Wendung kam nicht unbedingt überraschend.

Treppe aus Papier ist ein Buch das still wirkt und insbesondere durch seine Perspektive besonders ist. Es geht um die NS-Zeit, Schuld und Verdrängung, und erinnert daran, wie sehr die Vergangenheit in unserer Gegenwart fortlebt, und wie wichtig es ist, sich ihr zu stellen. Ein Buch, das ich sehr gerne gelesen habe!