von Ingke Brodersen, erschienen im April 2023 im kanon Verlag auf 288 Seiten. Erhältlich für 26,00 EUR
ISBN: 978-3-9856807-4-0/Anzeige
Als Ingke Brodersen Anfang der 1990er Jahre ihre neue Wohnung in Berlin Schöneberg besichtigt, weiß sie noch nichts über die Geschichte des Hauses, in dem sie mit ihrer Familie einziehen wird. Ein Stolperstein vor ihrem Haus erinnert an Martha Cohen.
Jahre später erfährt sie von den Adressen, von denen auf die Todesreise geschickt wurde, darunter ihr Haus und sieht die Namensliste. Wer waren ihre früheren Bewohner, wie sind ihre Schicksale verlaufen? All das recherchiert Brodersen und erzählt uns in ihrem Buch von den 24 Menschen, die verschwunden sind. 1942 wurden sie aus dem Haus deportiert, in dem heute die Autorin lebt. Ein Haus, das von den Nazis zum "Judenhaus" gemacht wurde, indem enteignete Juden vor ihrer Deportation zwangseingewiesen wurden.
"Die "Arischen" im Haus haben mitbekommen, dass vieles von ihren jüdischen Nachbarn nicht mehr gekauft werden konnte, dass sie gezwungen waren, die Namen Israel und Sara zu führen, dass sie ab September 1941 den gelben Stern anlegen mussten, dass man sie wie Aussätzige gekennzeichnet hatte, dass sie zu bestimmten Uhrzeiten Ausgangssperre hatten, kein Telefon, kein Radio mehr besitzen konnten, keine Zeitung beziehen, keine Seife kaufen, kein Fahrrad haben, keine Leihbücherei, keinen Kinosaal, kein Konzerthaus betreten durften und bei ihrer Zwangsräumung nahezu alles, was ihnen etwas bedeutete, schon verloren hatten. Was sagten sie dazu?"
Brodersen spürt in in ihrer Recherche die Wege der Verschwunden auf, versucht ihnen zu folgen, erzählt von den katastrophalen Entwicklungen, den wenigen Fluchtmöglichkeiten, die Einschränkungen der anderen Länder und die fatalen Bedingungen unter denen Fluchtwillige mit Glück noch das Land verlassen konnten. Wie sich Familien, Freunde und Nachbarn über Kontinente verstreut haben. Und sie erzählt von Vielen, deren Weg ins Deportationslager führte und dort endete. Die Verschwundenen kriegen Namen und Gesichter, werden real und ihre individuellen Schicksale stehen für Millionen von Menschen.
Auch nach dem Krieg gehen einige der Geschichten weiter. Auch hier nimmt uns Brodersen mit, berichtet wie die Überlebenden nach Entrechtung, Vertreibung und Enteignung nun jahrelang um Entschädigung kämpfen mussten. Teilweise vergebens.
Brodersen spürt in in ihrer Recherche die Wege der Verschwunden auf, versucht ihnen zu folgen, erzählt von den katastrophalen Entwicklungen, den wenigen Fluchtmöglichkeiten, die Einschränkungen der anderen Länder und die fatalen Bedingungen unter denen Fluchtwillige mit Glück noch das Land verlassen konnten. Wie sich Familien, Freunde und Nachbarn über Kontinente verstreut haben. Und sie erzählt von Vielen, deren Weg ins Deportationslager führte und dort endete. Die Verschwundenen kriegen Namen und Gesichter, werden real und ihre individuellen Schicksale stehen für Millionen von Menschen.
Auch nach dem Krieg gehen einige der Geschichten weiter. Auch hier nimmt uns Brodersen mit, berichtet wie die Überlebenden nach Entrechtung, Vertreibung und Enteignung nun jahrelang um Entschädigung kämpfen mussten. Teilweise vergebens.
Hinter "Lebewohl, Martha" steht eine beeindruckende und aufwendige Recherchearbeit, die zu einem erschütternden und sehr nachdenklich stimmenden Buch führt, das ich sehr empfehle. Die Autorin macht die Verschwunden sichtbar, erzählt ihre Geschichte und gibt ihnen damit ihre eigenen Geschichte wieder zurück und kämpft gegen das Vergessen an.
Brodersen lässt auch immer wieder persönliche Gedanken und Erlebnisse einfließen, die sie während der Arbeit einholten. Das gibt uns LeserInnen Zeit das Gelesene zu verarbeiten und kurz wieder in der Gegenwart anzukommen. Auch wenn das Buch zunächst kurz erscheint, benötigt man doch entsprechende Aufmerksamkeit. Die Einzelschicksale werden nicht nacheinander chronologisch erzählt. Hier hätte mir eine kontinuierliche Erzählweise mehr geholfen und besser gefallen um einfacher den Überblick zu behalten.
Ein Buch, dem ich noch ganz viel Aufmerksamkeit wünsche und das uns hoffentlich hilft wieder mehr das Menschliche in uns allen zu erkennen.
Die Autorin ist Historikerin und ehemalige Verlagsleiterin von Rowohlt Berlin. Seit den 1990er Jahren unterstützt sie Flüchtlinge bei der Integration in Deutschland.
Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links (Werbelinks). Wenn du auf einen solchen Link klickst und auf der Zielseite etwas kaufst, bekomme ich vom betreffenden Anbieter oder Online-Shop eine Vermittlerprovision. Es entstehen für dich keine Nachteile beim Kauf oder Preis.