Buchtipp des Monats
Rezension von textart-admin
22. Januar 2025
3 Min. Lesezeit

Die Mansarde

von Marlen Haushofer, erschienen im November 2023 im Classen Verlag auf 256 Seiten, Erstveröffentlichung 1969 im Classen Verlag. Erhältlich für 21,00 EUR

ISBN: 978-3-546-10081-6/Anzeige

In "Die Mansarde" zeichnet Marlen Haushofer den normalen Alltag einer Hausfrau in den 1960er-Jahren in Deutschland. Unsere namenlose Ich-Erzählerin führt den Haushalt, erledigt die Einkäufe und hält die Familie zusammen. Die Beziehung zu den Kindern und dem Ehemann sind distanziert und höflich. Die Abläufe scheinen eingespielt. Und nur in der Mansarde des Hauses erlaubt sie sich, ihren eigenen "Mansardengedanken" nachzugehen und sich ihrem Hobby zu widmen: dem Zeichnen mit einem ganz bestimmten Ziel.

"Ich habe einen bürgerlichen Mann geheiratet, führe einen bürgerlichen Haushalt und muß mich entsprechend benehmen. Der Abend in der Mansarde genügt für meine unbürgerlichen Ausschweifungen."

Die scheinbare Ruhe wird jedoch von einem auf dem anderen Tag gestört. Ein Umschlag erreicht sie mit alten Seiten aus ihrem Tagebuch, die sie in einem anderen Leben geschrieben hat. Von nun an findet sie jeden Tag einen neuen Umschlag. Und auch diese Briefe und ihre Inhalte sind nur für die Mansarde bestimmt.

Haushofer lässt von Anfang an durchscheinen, dass das normale Familienleben eine Fassade ist und die Ereignisse aus der Vergangenheit schwer auf der Familie und der Ehe lasten. Es wird jedoch nicht greifbar und erst mit dem Eintreffen der Briefe erfahren wir mehr und können die Einsamkeit und das Schweigen, das das gesamte Buch über begleiten, einordnen. Die prägende Zeit, die unsere Protagonistin immer wieder andeutet, nimmt nach und nach mehr Konturen an und bleibt trotzdem im Schatten, nachdem sie jahrelang verdrängt wurde.

"Manchmal streift mich ein Flügel und scheucht etwas in mir auf, Bilder, die tief geschlafen haben. Ich kann sie nicht willkürlich erzeugen, sie sind plötzlich da, in leuchtenden Farben, und ich weiß Dinge, die ich nie zuvor gewusst habe. Dann vergesse ich sie wieder."

Die Tagebucheinträge lesen wir ohne Kontext oder Einordnung der Ich-Erzählerin. Das ganze Buch über bleiben wir in ihrer Perspektive und folgen ihren Gedanken, die sie sich aber auch nicht erlaubt, bis zum Ende zu denken. Sie reflektiert zwar selbst, kommentiert die Briefe und Geschehnisse jedoch nicht. So ist die Geschichte nicht auserzählt und lässt viel Platz für eigene Gedanken und dennoch sind die wichtigen Erlebnisse und Botschaften des Buches erschreckend klar.

"Die Verrücktheit, die meine ganze Generation befallen hat, ist die Folge von Ereignissen, denen wir nicht gewachsen waren. Wahrscheinlich gibt es Ereignisse, denen keinen Generation gewachsen ist."

Haushofer gibt ihrer Figur dazu einen unfassbar guten Humor, der den ernsten Thematiken einen Ausgleich gibt. Ich war wieder begeistert von ihrem Schreibstil und stelle "Die Mansarde" ebenfalls als Highlight direkt zu ihrem Roman "Die Wand".

In meiner Ausgabe gibt es noch wichtiges Vorwort von Nicole Seifert, das den Roman in die entsprechende Zeit einordnet und aufzeigt, wie sehr Haushofer und ihre Werke unterschätzt wurden. Sowie ein Nachwort von Georg Hofer und Petra-Maria Dallinger über die Entstehung des Romans.

Große Leseempfehlung für alle LeserInnen! Ich freue mich sehr, dass ich Haushofer letztes Jahr für mich entdeckt habe und ich noch ein paar weitere Werke von ihr vor mir habe!

"Alle Fehlentscheidungen meines Lebens habe ich nach gründlichem Denken getroffen."

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